Äußerlichkeiten out – Charakter in?

Kleider machen LeuteKleider machen Leute – oder? Dieser jederzeit aktuellen Frage ging unsere Theatergruppe unter der Leitung von Mignon Dobler nach. Vier Mädchen der neunten Jahrgangsstufe hatten dazu eine moderne Bühnenfassung von Gottfried Kellers 1874 erschienener Novelle „Kleider machen Leute“ geschaffen. Geige spielende Wandermusikanten, eine im wahrsten Sinne schlitzäugige Wirtin und ein erschossener Elch bereiteten den Weg für eine turbulente Verwechslungskomödie mit ernstem Hintergrund.Kleine Betriebe müssen immer wieder angesichts der übermächtigen Konkurrenz durch Billigketten schließen. Auch im Theaterstück der Realschülerinnen treibt Igor Richter (Magdalena Zeller), Inhaber des Textilkonzerns „I&R“, mit seinen Dumpingpreisen die kleinen Schneiderbetriebe in den Konkurs. Damit trifft es auch den Schneidergesellen Wenzel (überzeugend dargestellt von Anna Schmid): Ihm wird gekündigt, nicht einmal seinen Lohn erhält er. Doch er darf sich seine selbst geschneiderten Kleider, eigentlich bestimmt für einen „feinen Pinkel“, nehmen. Die Bedeutung dieses Wendepunkts unterstreicht musikalisch eine Darbietung von Steffi Böhm (Violine und Gesang). Durch ein Missverständnis, bei welchem schlitzohrige Musikanten (Sophia Schraufstetter und Steffi Böhm) nachhelfen, wird Wenzel mit seiner „Haute Couture“ für einen polnischen Grafen gehalten. Während Wenzel nur Individualist sein möchte, wollen alle vom Glamour und Geld des Grafen profitieren. Auf der Bühne tragen sämtliche Akteure außer Wenzel Jeans, andere Kleidung gibt es nicht mehr. So sticht zwar niemand von ihnen aus der Masse heraus, doch jeder kann sich dazugehörig und „in“ fühlen. Diese Problematik wie auch weitere Fragen zu Arbeitsbedingungen in Textilfabriken, Schönheitswahn oder „In-Sein-Wollen“ verdeutlichen Pop-Up-Szenen am Rande der Szenerie, sodass das Publikum immer wieder mit den Problemen der heutigen Zeit konfrontiert wird. Als sich Wenzel und die zuckersüße Netti (Richters Tochter, einfühlsam verköpert von Regina Setz) ineinander verlieben, wird die Lage des vermeintlichen Grafen immer verzwickter. Freunde von Netti, allen voran Architekt Tramann (Alessa Kiendl), werden misstrauisch. Nichtsahnend plant Netti währenddessen ihre Hochzeit. Die Verlobungsfeier soll im Restaurant der geldgierigen Wirtin Frau Lang (mit einer gehörigen Portion Komik gespielt von Daniela Rank) stattfinden. Diese mutiert derweil mit Hilfe von Schönheitschirug Dr. Freud zur Chinesin LiLong. Und nun platzt die Bombe: Wenzel wird enttarnt. Er beschwört Netti, ihm zu verzeihen, was diese auch tut. Denn für sie zählt der Charakter eines Menschen mehr als sein Äußeres. Aber wird das Paar den Segen des profitorientierten Vaters erhalten? Hier wird das Publikum überrascht. Der gewitzte Igor Richter verstößt nicht etwa den umtriebigen Schneider – nein – er bietet ihm vielmehr einen Job in seiner Designabteilung an. Während sich das glückliche Paar in den Armen liegt, entledigen sich die übrigen Akteure ihrer Einheitskleidung, also ihrer Jeans, um die sich neu auftuenden Wege zur Individualität zu feiern.

Neben der gelungenen Adaption der Novelle für die Bühne und den schauspielerischen Leistungen der Mädchen überzeugte bei der Aufführung am vergangenen Donnerstag auch der wohldurchdachte Einsatz von Licht- und Toneffekten mit der neu eingebauten Beschallungsanlage.
Großer Applaus für alle Mitwirkenden.